Karlsruhes knallharte Bedingungen für Ceta

Deutschland darf dem umstrittenen Freihandelsabkommen Ceta vorläufig zustimmen - das haben die Verfassungsrichter entschieden. Doch die Bedingungen, die sie stellen, sind strenger als gedacht.


Die Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichts hatten sich nach der Urteilsverkündung gerade von ihren Plätzen erhoben, aber den Saal noch nicht verlassen, da gab es bereits den ersten Kommentar zu ihrem soeben verkündeten Urteilsspruch: "Artikel Zwanzig Absatz Vier", rief eine Zuschauerin, mit bebender Stimme, den Richtern hinterher. Viele grinsten.

Der Artikel 20 Absatz 4 des Grundgesetzes gibt den Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn es jemand wagen sollte, die verfassungsmäßige Ordnung zu beseitigen und andere Abhilfe nicht möglich ist. Die einsame Ruferin meinte offenbar, genau das sei der Fall beim geplanten Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada - weil die Verfassungsrichter dem tatenlos zusehen würden.

Der kleine Zwischenfall zeigt wie tief die Wut über das sogenannte Ceta-Abkommen bei vielen Bürgern sitzt. Doch bei genauer Betrachtung hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts unter Vorsitz seines Präsidenten Andreas Voßkuhle in seiner Eilentscheidung alles getan, damit die verfassungsmäßige Ordnung durch Ceta gerade nicht angetastet wird.


Die Richter haben das Abkommen oder auch nur dessen geplante vorläufige Anwendung zwar nicht gestoppt, aber doch der Bundesregierung so klare und enge Vorgaben macht, dass die verfassungsrechtlich heikelsten Probleme ausgeräumt werden - und im Übrigen eine Hintertür bleibt, durch die die Bundesrepublik Ceta immer noch verlassen könnte, sollten die Richterinnen und Richter später - im sogenannten Hauptsacheverfahren - zum Ergebnis kommen, dass Ceta in einigen Punkten doch verfassungswidrig ist. [...]


Bundesregierung hat ein "aber" im Gepäck

[...] Bis dahin hat die Bundesregierung bei den Reisen nach Brüssel in Sachen CETA jetzt das "aber" im Gepäck. Laut Gericht muss sichergestellt werden:

- Die vorläufige Anwendung von CETA bezieht sich nur auf Bereiche, für die die EU zuständig ist. Ungeschrieben steht dahinter: Denn wenn auch Bereiche betroffen wären, für die der Mitgliedsstaat zuständig ist, müsste der Bundestag vorher zustimmen. Das ist aber nicht vorgesehen.

- Mehr "demokratische Rückbindung" im CETA-Ausschuss. Zum Beispiel, indem der Rat der EU einstimmig hinter den Beschlüssen steht.

- Deutschland kann zur Not aus der vorläufigen Anwendung von CETA aussteigen. Weil das im CETA-Vertrag etwas undeutlich geregelt ist, muss die Bundesregierung dies als "Hausaufgabe" noch einmal rechtsverbindlich erklären und den anderen Vertragspartnern "notifizieren".

- Falls Karlsruhe CETA am Ende aus inhaltlichen Gründen kippt, soll es nicht heißen können: Bringt ja nichts, Deutschland kann ja gar nicht mehr raus.


weiterlesen unter:

http://www.spiegel.de/wirtschaft/bundesverfassungsgericht-analyse-des-ceta-urteils-a-1116538.html


http://www.tagesschau.de/ausland/ceta-167.html