"Ohne TTIP geht die Welt nicht unter“

Zu ihrem fünften Wirtschaftsempfang erwartet die SPD-Fraktion am Mittwoch im Bundestag 900 Gäste. B.Z. sprach im Vorfeld mit SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil.

21,5 Prozent für die SPD in Berlin. Wie erklären Sie das schlechte Wahlergebnis?

Ich freue mich natürlich, dass die SPD mit Michael Müller weiter regieren kann. Aber das Wahlergebnis ist in der Tat kein gutes. Es zeigt, dass sich viele Menschen Sorgen um die Zukunft machen, und dass es die AfD mit dem Schüren dieser Ängste in immer mehr Parlamente schafft. Einige Sorgen gibt es schon lange, aber sie sind durch den Flüchtlingszuzug erst richtig aufgebrochen. Deshalb müssen wir uns um soziale Themen mehr kümmern, allen voran Wohnen und Bildung. Am wichtigsten ist jetzt, dass wir die Gesellschaft zusammenhalten. Über die Fragen von wirtschaftlicher Erneuerung und gesellschaftlichem Zusammenhalt werden wir auch am kommenden Mittwoch beim Wirtschaftskongress der SPD-Fraktion diskutieren – mit vielen hochkarätigen Gästen wie SAP-Chef Bill McDermott.

Nach der Schlappe gab es am Montag einen Erfolg: Auf einem Partei-Konvent einigte man sich auf einen Beschluss zum umstrittenen europäisch-kanadischen Handelsabkommen CETA. Aber kann ein SPD-Papier den Gang der Dinge wirklich beeinflussen?

Die Maßgaben des SPD-Konvents finden sich im Bundestags-Beschluss vom Donnerstag wieder, der der Bundesregierung den Weg vorgibt. Darin ist festgelegt, dass das Verfahren beginnen kann, aber noch wichtige Punkte rechtsverbindlich geklärt werden müssen, etwa zur Daseinsvorsorge und zu Arbeitnehmerrechten. Beim Besuch von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat sich die kanadische Regierung hierzu bereit erklärt. Das letzte Wort haben aber das EU-Parlament und die nationalen Parlamente der EU-Mitgliedsstaaten. Dennoch bin ich froh, dass es der SPD gelungen ist, den Weg zu öffnen, aus einem in vielen Bereichen fortschrittlichen Abkommen ein wirklich gutes Abkommen für freien und fairen Handel zu machen.

Die Verhandlungen zwischen der EU und den USA über das Freihandelsabkommen TTIP stecken dagegen fest. Sind die Kanadier konzilianter?

Auf jeden Fall. Insbesondere der Wechsel von einer konservativen zu einer sozialliberalen Regierung hat viele positive Veränderungen ermöglicht. Die kanadische Regierung teilt einfach viele unserer Werte.

Die US-Regierung nicht?

Das trifft natürlich auch auf die USA zu. Aber bei der Gestaltung der Globalisierung gibt es unterschiedliche Vorstellungen. So konnten wir mit den Kanadiern vereinbaren, dass alle verbindlichen Arbeitnehmerrechte gelten, was mit den USA bislang nicht möglich ist. Wir haben uns auf einen öffentlichen Handelsgerichtshof geeinigt, während bei TTIP weiter über private Schiedsgerichte gestritten wird. Kanada hat außerdem unser europäisches Vorsorgeprinzip akzeptiert, welches sicherstellt, dass gerade im Bereich der Gesundheits- und Umweltpolitik Schäden im Voraus vermieden werden. Zwischen Kanada und der EU haben wir eine Partnerschaft auf Augenhöhe.

Wie geht es bei TTIP voran?

Wir können TTIP in Textform ja gar nicht bewerten, weil es keinen gemeinsamen Vertragsentwurf gibt. Wir können nur den Stand der Verhandlungen bewerten. Und da liegen Europa und die USA auch nach drei Jahren meilenweit auseinander. In der Amtszeit Obama wird es kein Abkommen mehr geben. Ich denke, TTIP ist tot. Die Zeit ist abgelaufen.

Wie könnte es nach der US-Wahl weitergehen?

Trump lehnt jedes Freihandelsabkommen mit Europa ab. Frau Clinton sagt: „TTIP hat für mich keine Priorität.“ Wir müssten also ganz von vorne anfangen. Dieser neuerliche Prozess würde viele, viele Jahre dauern – und ich bezweifle, dass er zum Erfolg führen wird. Das Ergebnis mit Kanada zeigt, dass Europa Maßstäbe für einen fairen Handel durchsetzen kann. Darunter werden wir es nicht mehr machen. Wir sagen: Freihandel ja, aber nicht um jeden Preis.

Wie kann es sein, dass wir mit einem so engen Partner wie den USA nicht zusammenfinden?

Die USA sind Demokratie und Marktwirtschaft. Wir sind Demokratie, Marktwirtschaft und Sozialstaat. Andere Wirtschaftsräume sind weder Demokratie noch Sozialstaat, aber Marktwirtschaft.[...]

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