"Fracking ist ein sinnloses Unterfangen"
Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) erwartet noch in diesem Jahr ein Fracking-Gesetz. Demnach soll die umstrittene Fracking – Fördertechnik für Erdöl und Erdgas unter strengen Auflagen künftig genehmigungsfähig sein. Mitten in der aktuellen und kontroversen Debatte ist jetzt ein Buch erschienen mit dem Titel "Fracking - Energiewunder oder Umweltsünde?". Geschrieben hat es der Energie-Experte Werner Zittel.
Fracking ist die Technik, mit der tiefe Gesteinsschichten in der Erde unter Einsatz von Wasser und Chemikalien aufgebrochen werden können. Mit Fracking sollen sogenannte unkonventionelle Erdgas-Reserven gefördert werden, also solche, die mit herkömmlichen Mitteln nicht zu erschließen sind. Mehr technischer Aufwand ist nötig, weil die Energie-Reserven zum Beispiel in dichtem Gestein liegen. Neu ist das alles nicht, schreibt Werner Zittel. Und stellt gleich zu Beginn seine Absichten mit dem Buch klar.
Ob es modern oder gar zukunftsfähig ist, auch die letzten Reserven fossiler Brennstoffe, derer man habhaft werden kann, auszubeuten, daran scheiden sich die Geister. Entsprechend emotionsgeladen wird diskutiert, Befürworter und Gegner beanspruchen jeweils die Deutungshoheit für sich. Bei so viel Unklarheit tut fundierte Aufklärung not.
"Fracking bremst die Energiewende"
Fundierte Aufklärung liefert das Buch reichlich: technische und geologische Details, dazu Grafiken - beispielsweise zur Prognose der Ölförderung in einem texanischen Ölfeld. Hier schreibt kein Politiker, kein Aktivist, sondern ein Experte für Energiewirtschaft. Dabei geht Werner Zittel über eine reine energiewirtschaftliche Analyse weit hinaus. Mit Fracking, sagt er, sei zwar innerhalb kurzer Zeit die Förderung fossiler Energien stark gestiegen, zum Beispiel in den USA. Allerdings müsse man sich überlegen, ob es die Nebenwirkungen Wert seien, diesen Aufwand zu betreiben. Die schlimmste Nebenwirkung: Fracking suggeriere, eine Verlängerung des fossilen Zeitalters sei problemlos möglich. Zittel ist überzeugt: Fracking bremst die Energiewende: "Wir wissen, dass wir bis zum Jahr 2050 etwa 80 bis 90 Prozent unserer Kohlendioxid-Emissionen reduzieren müssen. Und das geht nicht dadurch, dass wir neue Energie in die Erschließung neuer fossiler Vorkommen stecken."
Mehr Leukämie-Fälle
Den Vorstellungen von Erdöl- und Erdgas-Verbänden, wonach mit der Fracking-Methode noch Energie für 100 Jahre geliefert werden könne, erteilt Zittel eine deutliche Absage. Es sei ein Traum zu glauben, dass die fossilen Energiereserven für diesen langen Zeitraum überhaupt reichen. Ausführlich widmet sich Zittel dem Fracking in Norddeutschland - und seinen möglichen Folgen für die Umwelt. 60 Störfälle habe es in den vergangenen Jahren gegeben, weil beispielsweise Benzol durch undichte Leitungen in den Boden gelangt ist - zudem wurden hohe Quecksilber-Konzentrationen gemessen. Dazu kommen mögliche gesundheitliche Risiken - beispielsweise in Niedersachsen. "Wir haben bisher zwei Fälle: In Bothel und in Rotenburg konnte man nachweisen, dass die Neuerkrankungsrate von Leukämie erhöht ist. Man kann nicht sagen, warum das der Fall ist. Hat es was mit Fracking zu tun oder nicht? Das könnte man nur sagen, wenn man systematische Erhebungen machen würde", meint Zittel.
Eine teure Risiko-Technologie
Einen Beweis also, dass durch Fracking die Zahl der Krebsfälle in der Region gestiegen ist, gibt es bislang nicht, aber besorgniserregend sind die Fälle laut Zittel allemal. Fracking, das wird in dem Buch deutlich, ist eine teure Risiko-Technologie. Zu den Gefahren für die Umwelt und die Gesundheit kommen weitere: Mehr Schwerlastverkehr in den Regionen, mehr Landschaftsverbrauch. Seit 2011 gilt in Deutschland ein Fracking-Moratorium. Zahlreiche Bürgerinitiativen wehren sich gegen die Technologie. Werner Zittel geht trotzdem davon aus, dass ein Fracking-Gesetz noch in diesem Jahr beschlossen wird.
So nüchtern Werner Zittel analysiert - so unmissverständlich ist seine Botschaft: Fracking ist energie- und umweltpolitisch ein sinnloses Unterfangen. Sein Buch ist ein Muss für alle, die wirklich mitreden wollen in der kontroversen Fracking-Diskussion.