Fracking ist unterirdisch

Gastbeitrag Fracking ist unterirdisch

 Von Julia Verlinden und Anton Hofreiter

Die Technik ist riskant und umweltschädlich. Der Bundestag sollte den Mut haben, die Pläne der Regierung abzulehnen.


Am Montag ist der „Global Frackdown Day“. Viele Hundert Organisationen weltweit machen am 2. November deutlich: Klimaschutz und Fracking gehen nicht zusammen. Unter dem Motto „Global Frackdown to Paris“ werden die Verhandlungspartner der Klimakonferenz in Paris aufgefordert, sich bei ihrem Einsatz für den Klimaschutz klar gegen Fracking zu bekennen. Engagement für den Klimaschutz und Investitionen in eine risikoreiche Technologie zur Förderung fossiler Energieträger gehen nicht zusammen.


Doch in Deutschland fehlt noch immer Klarheit darüber, wie wir mit Fracking umgehen. In drei Legislaturperioden unter Kanzlerin Merkel ist es nicht gelungen, eindeutige Gesetze zu schaffen. Wie auch? Die Interessen dieser Regierungen laufen dem Interesse einer Mehrheit in Deutschland zuwider. Die meisten Menschen sind schlicht dagegen, dass mit Hilfe eines Wasser-Chemikalien-Gemischs unter hohem Druck Gestein aufgesprengt wird, um Erdgas und Erdöl zu fördern. Mehr als 2500 Kommunen in Deutschland, von denen nicht wenige von Bürgermeistern der Union regiert werden, lehnen Fracking klar ab.

So wird eine Abstimmung über das Fracking-Gesetzespaket der Bundesregierung immer weiter verschoben. Die Bedenken von Umweltverbänden, Kirchen, Wasserversorgern, Getränkeherstellern und Bürgerinitiativen in vielen Wahlkreisen werden währenddessen eher größer.


Denn neben den bereits bekannten Risiken wie hohem Wasser- und Flächenverbrauch werden immer mehr Umwelt- und Gesundheitsprobleme bekannt, die im Zusammenhang mit der Erdgasförderung mit und ohne Fracking stehen. Selbst in den USA, wo im großen Stil gefrackt wird, wurde im Bundesstaat New York ein Fracking-Moratorium beschlossen. In den niedersächsischen Fördergebieten erschüttern Erdbeben, durch Lagerstättenwasser kontaminierte Böden, unkartierte Bohrschlammgruben und ungeklärte Häufungen von Krebsfällen das Vertrauen in die bisherige Praxis der Erdgasförderung.


Zahlreiche Einfallstore

Könnten die Abgeordneten im Bundestag ohne Fraktionszwang über das Fracking abstimmen, wäre ein absolutes Verbot greifbar. Dennoch hat die Bundesregierung dem Parlament ein Fracking-Erlaubnis-Paket vorgelegt, das zahlreiche Einfallstore öffnet. So soll Fracking in Sandstein generell erlaubt sein. Probe-Fracs im Schiefergestein, die später kommerziell genutzt werden könnten, würden unbegrenzt zugelassen. Die Wortakrobatik, mit der Bundesumweltministerin Barbara Hendricks dieses Paket als Verbotsgesetz verkaufen will, überzeugt die Bürgerinnen und Bürger nicht. Und Energie- und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel hält sich lieber ganz raus.


Auf die Fracking-kritischen Stimmen in den Koalitionsfraktionen kommt es an, wenn im Bundestag über das Gesetzespaket weiterverhandelt wird. Sie haben die Möglichkeit, aus dem Fracking-Erlaubnispaket ein echtes Verbot zu machen – und eine richtungsweisende Entscheidung zu fällen. Denn es geht ja nicht um die Schreckensbilder brennender Wasserhähne. Es geht um die Frage, wie ernst wir es in Deutschland mit Klimaschutz und Energiewende meinen.


Wenn ausreichend Abgeordnete Fracking konsequent untersagen, setzen sie ein Zeichen gegen den energie- und klimapolitischen Kurs der Bundesregierung, der noch stark von fossilen Lobbyinteressen vereinnahmt wird. Es nützt dem Klimaschutz nichts, wenn Angela Merkel sich einerseits für die Ergebnisse des G-7-Gipfels der Staats- und Regierungschefs im Juli in Elmau feiern lässt und andererseits kurz darauf eine Subventionsmaschine für alte klimaschädliche Kohlekraftwerke auf Kosten der Stromkunden durchsetzt, die sowieso bald stillgelegt worden wären. Die Kanzlerin hält lieber ihre Hand über Fossile wie RWE oder Exxon, als beim Klimaschutz ernst zu machen. Gerade vor dem Hintergrund der großen internationalen Klima-Konferenz in Paris darf sich eine Politik nicht weiter durchsetzen, die kurzfristigen Lobbyinteressen folgt statt langfristigen Klima- und Energiezielen.


Würde Fracking in Deutschland zugelassen, flössen zusätzliche Investitionen in die Erschließung fossiler Energieträger, und das auch noch in immer riskantere und aufwendigere Methoden. Lobbyisten von morgen wäre das eine willkommene Legitimation, um weiterhin auf fossile Energieträger zu setzen. Das passt nicht zu dem zentralen Beschluss von Elmau, bei der Energieversorgung ab 2050 weitgehend auf fossile Brennstoffe zu verzichten und im Laufe des Jahrhunderts eine Dekarbonisierung der Weltwirtschaft zu erreichen.


Fossile Rohstoffe gehen irgendwann zur Neige – aber das ist angesichts der Klimakatastrophe nicht mehr das Hauptproblem. Sie müssen in der Erde bleiben, wenn wir die Erderwärmung auf maximal zwei Grad begrenzen wollen. Um international wettbewerbsfähig zu bleiben, brauchen wir statt Fracking, Braunkohle und Co. dringend Investitionen in die neue, zukunftsfähige Energiewelt: in erneuerbare Energien, in Speicher, in Energieeffizienz.

Die Bundesregierung verschließt die Augen vor diesen Erkenntnissen und gefährdet so die Interessen künftiger Generationen. Sie verspielt mit ihrem Pro-Kohle- und Pro-Fracking-Kurs auch international immer mehr Glaubwürdigkeit und bringt sich damit um die Chance, mit eigenem Beispiel in Paris ein weltweit ambitioniertes, verbindliches Klimaschutz-Abkommen voranzutreiben. Man kann nicht Klimaschutz und Energiewende fordern und gleichzeitig das fossile Zeitalter verlängern.


Anton Hofreiter ist Fraktionsvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag. Julia Verlinden ist Sprecherin der Fraktion für Energiepolitik.


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