Interessanter Blogpost vom Sprecher der Grünen Jugend Hamburg (und Platz 4 der Grünen Bundestagsliste):
FRACKING: MEHR GRÜNEN WIDERSTAND WAGEN!
Fracking ist zurzeit besonders hier in Norddeutschland ein großes Thema. In einigen Teilen Niedersachsens wurde bereits gefrackt. Weitaus größere Gebiete auch in Hamburg und Schleswig-Holstein sind Aufsuchungsgebiete. Formulierungen in vielen Antragstexten ist zu entnehmen, dass die Konzerne dort gerne einmal fracken würden. Dagegen formt sich Protest: Viele Initiativen gegen Fracking haben sich schon zusammen geschlossen, letztes Wochenende demonstrierten zehntausende in Kiel und Hannover unter dem Motto “Energiewende retten” auch gegen Fracking und im Mai ist ein bundesweites Strategietreffen von Anti-Fracking-Initiativen in Hamburg-Bergedorf geplant.
Fracking, das gemeinhin die seit wenigen Jahren praktizierte Form des Hydraulic Fracturing bezeichnet, ist eine Methode zur Förderung von Gas. Der Unterschied zur konventionellen Gasförderung ist vor allem die Durchlässigkeit der Schicht, in dem sich das zu fördernde Gasvorkommen befindet. Fracking wird dort angewendet, wo das Gas in nicht durchlässigen Gesteinsschichten liegt, die durch künstlich erzeugte Risse erst aufgebrochen werden müssen, damit das Gas entnommen werden kann. Um den dazu notwendigen Druck ausüben zu können, pumpt man ein Gemisch aus unglaublich viel Wasser und Chemikalien in die Bohrlöcher. Dabei sind Gesteinsschichten immer höher und weiter von der Zertrümmerung betroffen. Dies hat in einigen Gegenden schon für Erdbeben gesorgt. Die Frackfluide passieren beim Frack-Vorgang mehrfach Grundwasserschichten. Eine dauerhafte Sicherheit der Bohrlochummantelung ist nicht zu gewährleisten. Die Gefahr von Grundwasserkontamination ist enorm. Gleichzeitig kommt das Gemisch mit dem Lagerstättenwasser bei der späteren Förderung wieder an die Oberfläche. Dieser Flowback ist meist auch radioaktiv belastet. Was mit diesem Lagerstättenwasser nach der Förderung angestellt wird, ist unklar – aufbereitet kann es nicht wirklich werden und eine Verpressung in alte, „leere“ Bohrlöcher ist höchst riskant. Mal stellt man nach einiger Zeit fest, dass Plastikrohre irgendwie doch nicht so geeignet sind, um belastetes Wasser zu transportieren; mal spart man sich das einfach alles und kippt die Suppe direkt in den Fluss. Die Risiken hören da aber noch nicht auf. Es kommt zu Luftverunreinigungen, Infrastrukturschäden und natürlich zu Flächenverbrauch für die Bohrlöcher.
Ist es das Wert, für ein bisschen mehr heimische Gasförderung? Kann man für die Freiheit fracken?
Ich finde nicht. Ich finde schon den Grundgedanken hinterm Fracking falsch: Denn nur, weil man sich durch die Methode des Frackens mehr Erdgasvorkommen erschließt, als man bisher fördern konnte, heißt das nicht, dass die endliche Ressource Erdgas dadurch weniger endlich wird. Wir müssen hin zu einer Energieversorgung aus erneuerbaren Energien. Das geht nicht von jetzt auf gleich, aber es wird schneller gehen wenn man die Anstrengungen, die man in das Fracking investiert, in die erneuerbaren Energien steckt. Hinzu kommt, dass Fracking eine alles andere als sichere oder umweltfreundliche Methode zur Energiegewinnung ist.
Verständlicherweise stellen sich viele Umweltverbände und Parteien gegen das Fracking. Auch die GRÜNEN, würde man sagen. Irgendwie ergibt sich aber ein unstimmiges Bild, wenn man sich umschaut. Vor allem der Erlass in Niedersachsen hat für Wirbel gesorgt. “Niedersachsen bekennt sich zum Fracking”? Keine Schlagzeile, die ich aus einem rot-grün regierten Bundesland lesen möchte. Zwar gibt es immer wieder auch sinnvolle Vorschläge, wie in Hamburg. Ein wirkliches Fracking-Verbot wird aber selten gefordert – meist geht es darum Hürden aufzubauen, um Genehmigungen zu erschweren.
Das reicht aber nicht. Es ist nett, Fracking mit giftigen Chemikalien verbieten zu wollen – den Kern des Problems trifft das aber nicht. Erstens gilt auch Fracking mit einem Anteil von weniger als 0,1% einer Chemikalie am Frackfluid als Chemikalien-frei, zweitens arbeitet man fleißig daran, Green Fracking zu etablieren. In Mecklenburg-Vorpommern soll dies nun getestet werden. Setzt sich das durch, stehen wir ziemlich doof da, wenn unsere grüne Position hauptsächlich ist, dass wir Fracking mit umweltgefährdenden Zusätzen verhindern wollen. Green Fracking ist nämlich immer noch nicht umweltfreundlich! Mit dem Flowback kommt auch weiterhin giftiges Material an die Oberfläche, das besser im Boden bleiben sollte. Auch andere der oben von mir genannten Probleme bestehen weiter. Genau deshalb kritisieren beispielsweise die GRÜNEN in Thüringen eben diesen Vorschlag der Landesregierung.
Es ist ebenso nett, vor der Genehmigung von Fracking eine Umweltverträglichkeitsprüfung zu verlangen – aber ob das reicht? Der Vorschlag ist richtig, wird Fracking aber nur in den seltensten Fällen verhindern können, kritisierte Oliver Krischer vor einem Jahr zurecht an einem Gesetzesentwurf der ehemaligen schwarz-gelben Bundesregierung. Leider gehen häufig unsere grünen Forderungen über die in dem schwarz-gelben Entwurf, der nun wieder aufgewärmt werden soll, nicht hinaus.
Unkonventionelle Erdgaslagerstätten, die sogar von den Konzernen als solche bezeichnet werden, neuerdings als konventionell anzusehen, wie es durch das grün geführte Umweltministerium in Niedersachsen geschehen ist – Stichwort Tight Gas – hilft auch nicht weiter, sondern ist eher kontraproduktiv.
Was wir brauchen, ist eine klare grüne Ansage. Wir sollten mehr Widerstand gegen Fracking wagen! Dazu wünsche ich mir deutliche Positionierungen. Wir müssen Fracking ohne wenn und aber verbieten wollen. Das geht vor allem über das Bergrecht, nach dem Fracking-Vorhaben genehmigt werden müssen. Ein Fracking-Verbot im Bergrecht ist möglich. Es wird allerdings im Bund geregelt. Wir sind zurzeit nicht Teil der Bundesregierung. Aber wieso machen unsere acht Landesminister_innen für Umwelt und Energie nicht einen öffentlichkeitswirksamen Vorstoß und üben somit Druck auf die Bundesregierung aus? Wo bleibt der laute Widerspruch zu Vorschlägen, durch Fracking die Abhängigkeit von Russland zu verringern? Und wo bleiben die kreativen Lösungen in den Ländern? Warum versucht man nicht, die Auflagen für die Entsorgung des Lagerstättenwassers und des Flowbacks so zu erhöhen, dass es für die Konzerne unwirtschaftlich wird, diese zu erfüllen? Ich wünsche mir kreative und deutliche Lösungen, die Fracking unmöglich machen – und keine Hintertürchen, die man dann doch irgendwie aufstehen lässt. Zudem wünsche ich mir mehr Kampagnenfähigkeit und Zusammenarbeit mit den Initiativen – Caroline Lucas macht es in Großbritannien vor.
Es kann nicht sein, dass hier vor allem die LINKE als Fracking-Gegnerin wahrgenommen wird. Ich möchte, dass sich Anti-Fracking-Initiativen ohne Bauchschmerzen an die GRÜNEN wenden können und dass die GRÜNEN wie selbstverständlich zur Anti-Fracking-Bewegung dazu gehören. Wir haben nach der Bundestagswahl gesagt, dass wir unsere Kernthemen – Umweltschutz und Energie – nicht aus den Augen verlieren dürfen. Das ist richtig. Auf die Worte sollten aber Taten folgen. Liebe grüne Partei, sei mal ein bisschen mutiger.
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