Merkel: Neue Betrachtung der Energiepolitik

Hamburg/Berlin - Während Bundeskanzlerin Angela Merkel ankündigt, die gesamte deutsche Energiepolitik wegen der Ukraine-Krise neu betrachten zu wollen, droht Deutschlands Abhängigkeit von russischem Öl und Gas mit Zustimmung der Bundesregierung zu wachsen. Kanzleramt und Wirtschaftsministerium haben sich darauf geeinigt, kein Veto gegen geplante deutsch-russische Milliardenprojekte einzulegen.

Die vor zwei Wochen beschlossene Übernahme der RWE-Tochter Dea durch den russischen Oligarchen Michail Fridman schätzt die Regierung nach interner Prüfung als unproblematisch ein. Auch die Zusammenarbeit zwischen dem russischen Staatskonzern Gazprom und der BASF-Tochter Wintershall solle fortgesetzt werden. Man sehe keinen Anlass, den bereits beschlossenen Verkauf des größten deutschen Erdgasspeichers sowie eines Großteils des deutschen Gashandelsgeschäfts an die Russen zu unterbinden, heißt es aus dem Wirtschaftsministe rium.

Vor dem Hintergrund der Krim-Krise hatte Kanzlerin Merkel in der vergangenen Woche beklagt, in der EU gebe es eine "zum Teil sehr hohe Abhängigkeit" von russischer Energie. Deutschland sei davon aber weniger betroffen als andere Staaten.


Merkel: "Neue Betrachtung der Energiepolitik"

Die Kanzlerin hatte vergangene Woche nach einem Treffen mit Kanadas Regierungschef Stephen Harper angekündigt: "Es wird eine neue Betrachtung der gesamten Energiepolitik geben." Deutschland bezieht rund ein Drittel seines Erdgasbedarfs aus Russland.

Am Dienstag berät Merkel mit den deutschen Ministerpräsidenten über die Energiewende. Kraft sagte der "Welt am Sonntag", sie erwarte von Merkel eine Erklärung, was sie meine: "Denn wir befinden uns mit der Energiewende ja gerade in einer grundlegenden Veränderung des Energiemix in Richtung erneuerbare Energien."


Harper und US-Präsident Barack Obama hatten ihre Länder als alternative Energielieferanten für Europa ins Gespräch gebracht.

Die USA gewinnen Schiefergas mit der umstrittenen "Fracking"-Methode: Dabei werden Chemikalien mit hohem Druck in den Boden gepresst, um den Stein aufzubrechen und das Gas freizusetzen. Kritiker warnen vor einer Verseuchung des Erdreichs. Für den Export müsste das Gas verflüssigt und auf Tankschiffe verladen werden. Dafür fehlt bisher die notwendige Infrastruktur. Merkel hatte deshalb von "langfristigen Orientierungen" gesprochen.