Leserbrief - Werden wir richtig informiert?
Die Informationspolitik der am Fracking beteiligten Konzerne muss kritisiert werden und man kann über diese bewusste Schönrednerei und Bagatellisierung der Risiken nur überrascht den Kopf schütteln. Es handelt sich um ein potenziell ernsthaftes gesundheitliches Problem für unsere Bevölkerung und erfreulicherweise ist zurzeit ja auch von Seiten unserer Regierung bis zur weiteren Abklärung ein Stopp für weitere Bohrungen ausgesprochen worden.

Die zur Gewinnung von Erdgas und Erdöl aus der Tiefe dort eingesetzten Flüssigkeiten, sogenannte Frac-Fluid-Gemische, enthalten Stoffe, die in Bezug auf toxikologische Endpunkte auf Basis der GHS/CLP-Verordnung als gefährlich eingestuft werden. „Relativ geringe Anteile“ (zwei bis fünf Prozent) – so heißt es beruhigend.

Diese Anteile bestehen, um nur die Wesentlichen zu nennen, aus beispielsweise Bioziden, wie Terpenen, Isothiazolinonen, Säuren, Dodecylbenzol, Polyacrylamid, Petroleumdestillaten, aromatischen Kohlenwasserstoffen (Benzol, Toluol), von denen vor allem die Letzteren wegen ihrer stark krebserregenden und genverändernden Wirkung als besonders gefährlich einzuordnen sind.

Zitat der Exxon hierzu: „Viele der eingesetzten Stoffe sind auch aus dem Haushalt bekannt. Die Gesamtflüssigkeit ist weder giftig, noch umweltgefährdend. Sie ist nach Chemikalienrecht nicht kennzeichnungspflichtig und kein Gefahrgut.“

Dem gegenüber hat das unabhängige Tyndall Centre Manchester (Update November 2011) von 260 Fluid-Additiven 17 als ökotoxisch, 38 als akut toxisch, acht als humankanzerogen, sieben als erbgutverändernd und acht als reproduktionstoxisch eingestuft/bewertet – Feststellungen, die auch Exxon bekannt sein dürften.

Zwar ist die Feststellung von Exxon zutreffend: „Viele der eingesetzten Stoffe sind auch aus dem Haushalt bekannt“ – nur ist es wenig riskant, diese Stoffe als Reinigungsmittel in der Toilette oder zum Schuheputzen zu nutzen. Als Risiko im Trinkwasser und Erdboden können sie jedoch nicht toleriert werden. Sie gehören auf gar keinen Fall potenziell ins Trinkwasser unserer Bevölkerung. Langfristig aber besteht diese Gefahr beim Fracking. Es gibt derzeit noch keinerlei wissenschaftliche Aussagen, wie sich die Situation im Zeitverlauf gestalten wird.

Nach dem Fracking wird ein großer Teil der eingepressten Flüssigkeit während der Förderung zusammen mit dem Gasstrom und dem Lagerstättenwasser wieder zurückgepumpt und entsorgt (90.000 Kubikmeter pro Jahr allein in Niedersachsen), ein weiterer Teil verbleibt jedoch unterirdisch. Auch das Lagerstättenwasser enthält Schadstoffe, die nicht in die Natur gehören.

Nach Ansicht des RWE-Vertreters seien das größte Problem dieses sogenannten Lagerstättenwassers nur die hohen Salzanteile und nicht „die relativ geringen Anteile von Quecksilber und natürlicher Radioaktivität“ und „wir werden versuchen, durch Verpressen des Lagerstättenwassers in die alten Bohrstellen das Lagerstättenwasser dorthin zu verbringen, wo es herkommt“.

Doch, ob es dort dann bleibt, ist nicht sicher – nach Informationen des neutralen Expertenkreises im Dialog Fracking vom April 2012 wird festgestellt: „Ein horizontaler Transport im Tiefenwasser mit Bewegung der Schadstofffahne über mehrere Kilometer (pro Jahr 20 Meter) ist möglich und nachgewiesen.“

Ein neutraler Expertenkreis (2012), die Gutachten BMU/UBA (2012), das Umweltministerium NRW (2012) sowie SRU (2013) kommen - auch in Bezug auf die Kontamination des Grundwassers - zu folgender Wertung: „ Das Potenzial des Hydraulic Fracturing, Kontaminationen von Grund- und Trinkwasserressourcen zu verursachen, wird als das Schlüsselrisiko der Technologie betrachtet. Oberflächennahe Prozesse werden für diesen Gefährdungspfad als die kritischen angesehen, insbesondere in Bezug auf den Umgang mit den Additiven der Frac-Fluide und dem Flowback.“

Man kann nur hoffen, dass die Technik, die letzten Reste von Erdgas und Erdöl mit diesem Verfahren aus dem Boden pressen zu wollen, dauerhaft verboten wird, um die Gesundheit unserer Bevölkerung und die der nachfolgenden Generationen verantwortlich zu schützen. Nicht alles, was machbar ist und Geld bringt, dürfte auch gemacht werden.

Wir sollten hier nicht ein Großexperiment zulassen und möglicherweise nach Jahren von den Konzernen hören müssen: „Sorry, das haben wir damals nicht gewusst!“, wenn unser Trinkwasser dann entgegen allen optimistischen Erwartungen der Industrie doch gelitten haben sollte.

Dr. Matthias Bantz, Rotenburg, Facharzt für Innere Krankheiten und Umweltmedizin