Die Mini-Erdbeben offenbaren den Fracking-Irrsinn
rotestmärsche, Bürgerinitiativen und Prozesse sind verpufft. Doch jetzt könnte es ausgerechnet die Regulierung sein, die Fracking in Großbritannien ein Ende setzt. Die Vorschriften der konservativen Regierung würden der erst im Entstehen begriffenen Branche „die Luft abschneiden“, klagte Francis Egan, Vorstandschef von Cuadrilla.

Cuadrilla hatte Mitte Oktober mit der Förderung von Erdgas aus großer Tiefe in Lancashire, bei Blackpool im Nordwesten des Landes, begonnen. Doch binnen einer Woche mussten die Bohrungen dreimal abgebrochen werden, nachdem die staatlich festgesetzte kritische Marke für Erdbeben erreicht worden ist. Das letzte Beben am Montag, das stärkste bisher, hatte eine Stärke von 1,1 auf der Richterskala. Ab einer Erschütterung von 0,5 muss der Fördervorgang für 18 Stunden ausgesetzt werden, sehen die Regeln vor.

Für den Menschen sind Erschütterungen in dieser Größenordnung nicht spürbar, erst ab einer Stärke von 4,0 auf der logarithmischen Skala kommt es zu leichten Schäden. 2011 kam es vor der Küste bei Blackpool zu einem Beben der Stärke 2,3.


Eine Untersuchung des British Geological Survey kam damals zu dem Ergebnis, dass es „höchst wahrscheinlich“ sei, dass die Erschütterungen durch die Bohrungen ausgelöst worden seien.

Daraufhin hatte die britische Regierung das Fracking zunächst untersagt. Inzwischen ist der Bann aufgehoben, die verschärfte Regulierung eingeführt. Die von Cuadrilla begonnen Bohrungen sind die ersten seither.

Fracking hat in den USA eine Erdgasrevolution ausgelöst

Fracking – kurz für Hydraulic Fracturing – ist ein Verfahren, um Erdgas aus Tiefen von mehreren Kilometern zu fördern. Dabei wird eine Mischung aus Wasser, Sand und Chemikalien mit hohem Druck in die Tiefe gepumpt, um Gas aus den tief liegenden Gesteinsschichten zu lösen und zu fördern.


In großen Teilen der USA wird das Verfahren seit Jahren praktiziert und hat eine regelrechte Erdgasrevolution ausgelöst. In Europa ist es dagegen umstritten, zahlreiche Staaten von Deutschland über die Niederlande, Frankreich und Bulgarien haben ein Bann verhängt. Auch in Schottland ist Fracking nicht zugelassen.


Befürworter der Methode weisen auf die Chancen hin, etwa die Abhängigkeit von russischem Erdgas zu verringern. Großbritannien hofft auf einen Ersatz für die langsam versiegenden Öl- und Gasfelder in der Nordsee. Allein im Bowland Shale, einer geologischen Formation im Norden Englands, vermuten Geologen genug Gas, um die britische Nachfrage für weitere 500 Jahre zu stillen. Gegner verweisen nicht nur auf die Gefahr von Erdstößen, sondern fürchten auch hohe Risiken für das Grundwasser. Ferner mache die dichte Besiedelung Europas die Methode kaum einsetzbar.

Zudem ist es fraglich, ob sich Fracking in Großbritannien kommerziell rechnet. Dafür benötige man „mehr als 6000 Bohrstellen“, womöglich sogar noch deutlich mehr, fasst der konservative Abgeordnete Lee Rowley den Konsens zusammen. Rowley steht dem parlamentarischen Ausschuss vor, der sich mit den Folgen der Erschließung des Fracking-Gases beschäftigt. Zudem vertritt den Wahlkreis in Derbyshire nahe der Cuadrilla-Bohrstelle und hat früher als Öl- und Gasanalyst gearbeitet.


Bisher fehlt die kritische Masse für Fracking

Nur mit einer kritischen Masse von Tausenden von Bohrstellen im ganzen Land, könnte Fracking die Energieversorgung im Land sichern und nennenswert Arbeitsplätze schaffen, zeigte sich Rowley überzeugt. Nicht einmal ein Dutzend Bohrstellen aber haben in Englands Norden bisher eine Zulassung.

Cuadrilla-Chef Egan plädiert derweil für eine Lockerung der Vorschriften. Eine Anhebung der Bebenschwelle auf 2,0 auf der Richter-Skala hält er für angemessen und verweist auf noch deutlich großzügigere Vorschriften etwa in Kanada und in den USA.

Doch die Energieministerin Claire Perry wies den Vorschlag umgehend zurück. Ein „ausgesprochen törichter Politiker“ wäre das, der die Regeln lockern würde, „wo wir gerade versuchen, die Bevölkerung von der Sicherheit der Methode zu überzeugen.“


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