Fracking-Folgen auch für Bremen?

Fracking-Folgen auch für Bremen?

Ist Fracking für Krebs verantwortlich? Das ist die Frage, die viele Menschen im Landkreis Rotenburg umtreibt. Dort hat Exxon Mobil Erdgas mit der umstrittenen Fracking-Methode gefördert. Auch in Bremen könnte das Auswirkungen haben.



Montag, 1. Mai 2017

Erdgasförderung

Fracking-Folgen auch für Bremen?

Ist Fracking für Krebs verantwortlich? Das ist die Frage, die viele Menschen im Landkreis Rotenburg umtreibt. Dort hat Exxon Mobil Erdgas mit der umstrittenen Fracking-Methode gefördert. Auch in Bremen könnte das Auswirkungen haben.

Grafik: Wie funktioniert Fracking. [Quelle: Radio Bremen, CK]

Beim Hydraulic Fracturing – kurz Fracking – wird ein Gemisch aus viel Wasser, meist etwas Sand und einem kleinen Teil Chemikalien unter hohem Druck in tiefere Gesteinsschichten gepresst, um sie aufzubrechen. Dabei wird Erdgas freigesetzt.

"Da wird eine Flüssigkeit in den Boden gepresst, um Schieferplatten zu knacken", erklärt Helmut Dietrich Köster, Experte für Umweltmedizin und Toxikologie beim Medizinischen Labor Bremen, die Fracking-Methode. Als Rotenburger beschäftigt sich der Mediziner auch privat mit dem Thema Fracking, weil auch in Rotenburg (Wümme) vermehrt bestimmte Krebsarten vor allem bei älteren Männern diagnostiziert wurden.

Chemikalien können Krebs erregen

Die Flüssigkeit beim Fracking steht im Fokus. Es ist ein Chemikaliengemisch, das laut Fracking-Kritikern Quecksilber und Benzol enthalten soll. Das sei hochgiftig, sagt Köster. "Benzol ist definitiv krebserregend. Quecksilber ist zwar nicht direkt krebserregend, macht aber vieles andere kaputt wie Nieren und Immunsystem." Allerdings: Anorganisches Quecksilber könne im Darm von einigen Menschen zu Methylquecksilber umgewandelt werden – und dann sei es auch wieder krebserregend.

Es ist doch nicht weg, wenn es tief genug ist.

Helmut Dietrich Köster, Experte für Umweltmedizin und Toxikologie

Der Umweltmediziner sieht ein hohes Risiko, dass Chemikalien auch ins Grundwasser gelangen können. Und er wolle kein Quecksilber und Benzol aus seinem Wasserhahn haben. Es gebe zwischen der Schicht, aus der Erdgas gefördert wird, und dem Grundwasser keine feste Platte, sondern vielmehr Spalten und auch Kräfte, die Chemikalien nach oben befördern könnten. "Man macht sich Gedanken, das ist ein Angstfaktor."

ExxonMobil bestreitet Einsatz von Benzol und Quecksilber

Fracking-Gesetz

Der Bundestag hat 2016 ein Gesetz verabschiedet, das wesentlich strengere Regeln vorsieht. Unkonventionelles Fracking mit Einsatz von Chemikalien in Gesteinsschichten ist demnach verboten.

Allerdings: "Weder Quecksilber noch Benzol wurden beziehungsweise werden als Zusätze in den sogenannten Frackflüssigkeiten verwendet", teilt ein Sprecher von Exxon Mobil mit. Die Fracking-Technologie habe das Unternehmen in Deutschland zuletzt Mitte 2011 eingesetzt. Und im Landkreis Rotenburg letztmalig Mitte 2010. In einem Infoblatt des Konzers heißt es aber auch: "Ein bis zwei Stunden dauert eine Fracking-Maßnahme. Danach kann Jahre oder Jahrzehnte Erdgas aus der Bohrung gefördert werden."

Können Chemikalien ins Grundwasser eindringen?

Einen großen Teil des Trinkwassers in Bremen bezieht der Wasserversorger swb aus Niedersachsen. Insgesamt 30 Millionen Kubikmeter Wasser fließen jährlich durch Bremens Leitungen. Neun Millionen Kubikmeter liefert der Trinkwasserverband Verden, teilweise aus Gebieten, in denen Erdgas gefördert wird. Für den Geschäftsführer des Trinkwasserverband Verden, Stefan Hamann, sind Erdgasförderung und mögliche Folgen ein bleibendes Thema. Mit DEA sei ein anderes Erdgas- und Erdölunternehmen ganz in der Nähe eines Trinkwasserschutzgebietes aktiv, aus dem der Verband Wasser gewinnt.

2011 war bekannt geworden, dass Leitungen sogenannten Lagerstättenwassers im Bereich Völkersen undicht waren. Seitdem untersucht der Trinkwasserverband das Wasser regelmäßig auf Benzol und Quecksilber. Bisher sei das ohne Befund geblieben. Einwandfreies Trinkwasser für den Landkreis Verden und die Stadt Bremen durch den Trinkwasserverband Verden sei jedenfalls auch zukünftig gewährleistet, verspricht Hamann.

Die Schichten sind so dicht, dass keine Chemikalien hindurchkommen.

Björn Panteleit, Diplom-Geologe

Es sei sehr unwahrscheinlich, dass Chemikalien beim Fracken direkt ins Grundwasser gelangen, sagt Björn Panteleit vom Geologischen Dienst für Bremen. Es gehe um sehr unterschiedliche Tiefenbereiche, erklärt der promovierte Geologe. Gefrackt werde in der Regel in drei- bis fünftausend Meter Tiefe, das Grundwasser befinde sich in zwei- oder dreihundert Metern Tiefe. Dazwischen – und hier widerspricht er Umweltmediziner Köster – seien Schichten, die so dicht seien, dass Chemikalien nicht hindurchkämen. Mehr Bedeutung, so Panteleit, müsse aber der Handhabung an der Oberfläche beigemessen werden. "Wichtig ist, dass da keine Chemikalien aus undichten Leitungen austreten."

Erdgasförderung löst Erdbeben in Bremen aus

Wenn Fracking vielleicht auch nicht für Krebs ursächlich ist – was bisher weder eindeutig belegt noch widerlegt ist – dann aber doch zumindest für Erdbeben. "Man kann in Bremen tatsächlich Erdbeben spüren", sagt Geologe Panteleit, "die auf die Erdgasförderung zurückzuführen sind." Diese Beben merke man nicht wesentlich. "Das fühlt sich vielleicht wie eine Straßenbahn an, die vorbeifährt."

Alle ein oder zwei Jahre komme das vor. Ein etwas größeres Beben habe es 2006 gegeben. Das sei etwa im Siemens-Hochhaus in der Innenstadt zu spüren gewesen. Zumindest diese Auswirkung also gibt es durch die Erdgasförderung – auch wenn sie in 30 oder 50 Kilometer Entfernung stattfindet. Die Hohlräume, die sich bei der Förderung bilden, werden vom Gestein, das sich setzt, wieder gefüllt. Dabei wackelt die Erde – zwar nur leicht, aber auch in Bremen.

Autor: Sven Weingärtner


Quelle:

http://www.radiobremen.de/gesellschaft/themen/fracking128.html