Mehr als gedacht: Fracking-Standorte in den
USA haben in den letzten zehn Jahren häufiger Öl, Frackingfluide und
andere Chemikalien in die Umwelt freigesetzt als bisher angenommen. Mehr
als 6.600 Leckagen wurden allein in vier US-Bundesstaaten gemeldet, wie
eine Auswertung ergab. Die meisten Austritte traten an den
Speichertanks und Leitungen solcher Anlagen auf – und meist in den
ersten drei Jahren des Betriebs.
Die Gasförderung durch Fracking ist bei uns hoch umstritten. –
unter anderem wegen der in den USA beobachteten Umweltfolgen. So zeigen
Luftmessungen an Fracking-Standorten stark erhöhte Werte
giftiger Dämpfe und es gibt Hinweise auf vermehrte
Frühgeburten im Umfeld der Anlagen. Bekannt ist zudem, dass die
Frackingflüssigkeit giftige Chemikalien enthält. Schon vor einiger Zeit warnten Forscher zudem vor einer Verseuchung des Trinkwassers durch
Lecks in den Anlagen.
Wie viele Lecks und Austritte von Öl, Frackingfluiden und anderen
Chemikalien es an Fracking-Standorten tatsächlich gibt, haben nun Lauren
Patterson von der Duke University und ihre Kollegen ermittelt. Für ihre
Studie werteten sie alle in den letzten zehn Jahren gemeldeten
Austritte der 30.000 Frackingstandorte in den vier US-Bundesstaaten
Colorado, North Dakota, Pennsylvania und New Mexico aus.
Tausende Leckagen
Das Ergebnis: Mehr als 6.600 Leckagen und Austritte unterschiedlicher
Größe wurden allein in diesen vier Bundesstaaten gemeldet. Zwischen zwei
und 16 Prozent der Fracking-Anlagen haben den Meldedaten zufolge
mindestens einmal potenziell umweltschädliche Flüssigkeiten in die
Umwelt freigesetzt, wie die Forscher berichten.
Und diese Zahl der Austritte könnte sogar noch stark unterschätzt sein:
Die Vorschriften, ab welcher Größe ein Leck gemeldet werden muss, seien
in den Bundesstaaten unterschiedlich, erklären die Wissenschaftler. So
sind in North Carolina bereits 42 in die Umwelt freigesetzte Gallonen
meldepflichtig, in New Mexico dagegen erst Austritte von mehr als 120
Gallonen Flüssigkeit. Kleinere Lecks fallen daher in einigen
Bundesstaaten schlicht durch das Raster.
Speichertanks
für verschmutztes Wasser, das aus dem Untergrund wieder hochgepumpt
wurde. An solchen Tanks traten viele der Lecks auf.
© Doug Duncan/ USGS
Viel höher als bisher kalkuliert
Doch selbst wenn man dies außer Acht lässt, ist die Zahl der
Fracking-Leckagen damit deutlich höher als es die US-Umweltbehörde EPA
bisher kalkulierte. Diese ging nur von 457 Lecks in sechs Jahren aus, so
die Wissenschaftler. Der Grund dafür: Die EPA berücksichtigt nur die
Lecks beim Fracken selbst, nicht aber den gesamten Ablauf der
unkonventionellen Öl- und Gasförderung.
"Es ist aber wichtig, Leckagen in allen Stadien der Fracking-Förderung
zu kennen, denn dazu gehört auch der Transport von Materialien zu und
von den Standorten, sowie die Lagerung der Stoffe vor Ort", erklärt
Patterson. "Nur wenn man alle Stadien untersucht, kann man das Risiko
für solche Austritte verstehen."
Speichertank und Pipeline
Tatsächlich ergaben die Auswertungen, dass die meisten Austritte nicht
bei der Gas-und Ölförderung selbst, sondern durch undichte Speichertanks
oder Lecks in Leitungen verursacht wurden. Längst nicht immer war daran
das Material oder die Geräte schuld: Bei immerhin rund 700 Fällen
handelte es sich um menschliches Versagen. Bei rund 4.000 weiteren
Fällen allerdings ist die genaue Ursache bis heute ungeklärt.
Unter
den freigesetzten Substanzen waren neben Wasser vor allem
Fracking-Flüssigkeit, Erdöl und eine Mischung aus Öl und Salzwasser, wie
die Auswertung ergab. Aber auch verschiedene Chemikalien sowie Diesel
und Öle, die zum Betreiben der Pumpen und Maschinen benötigt wurden,
traten bei den Leckagen häufig aus. In vielen Fällen kam es dabei zur
Verunreinigung von Gewässern oder dem Grundwasser.
Erste drei Jahre sind am gefährlichsten
Bei der Analyse der zeitlichen und räumlichen Verteilung der Lecks
stellten die Wissenschaftler zwei klare Trends fest: Zum einen ist das
Risiko für eine Leckage oder einen größeren Austritt in den ersten drei
Betriebsjahren einer Fracking-Anlage am höchsten. Dies liegt daran, dass
in dieser Zeit nicht nur die Anlagen errichtet werden, sondern dass in
dieser Zeit auch die Fördermengen am größten sind, wie die Forscher
erklären.
Zum anderen zeigte sich, dass sich Unfälle und Lecks an bestimmten
Standorten häuften. Es könnte sich demnach lohnen, Standorte nach einem
gemeldeten Austritt unter besondere Beobachtung zu stellen, um
systematische Fehler oder Mängel zu finden, meinen Patterson und ihre
Kollegen.
"Analysen wie diese sind wichtig, um das Risiko für die Wasserressourcen
und die menschliche Gesundheit besser einzuschätzen und bekämpfen zu
können" betont Kate Konschnik von der Harvard Law School. Zudem helfe
diese Information, die Meldepflichten künftig zu verbessern und zu
vereinheitlichen. (Environmental Science & Technology:, 2017;
doi: 10.1021/acs.est.05749)
(Duke University, 22.02.2017 - NPO)
weiterlesen unter:
http://www.scinexx.de/wissen-aktuell-21184-2017-02-22.html